Neophyten - Gefahr oder Chance?
Was ist eigentlich ein Neophyt?
Streng genommen, einfach ein Pflanzen-Neuling, also eine bei uns nicht heimische Pflanze. Grundsätzlich sind bei uns die Gärten voll von solchen «Fremdlingen». Viele davon sind unauffällig, machen seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten keinerlei Ärger und es sieht auch nicht danach aus, dass sie das Potenzial dazu entwickeln würden.
Mit Ärger ist dabei hauptsächlich das Ausbüxen, mittels Samen, Ausläufern oder verschleppter Früchte und Beeren durch Vögel, aus unseren Gärten hinaus, in die heimischen Ökosysteme gemeint. In diesen, oft sehr störungsanfälligen Arealen kann die Gruppe der sogenannten invasiven Neophyten tatsächlich grosse Schäden anrichten. Schaden soll heissen: Störung natürlicher Lebensräume mit Auswirkungen auf Flora und Fauna.
Es ist also ganz wichtig, die Neophyten in drei Gruppen zu unterteilen:
- • Nicht heimische Gartenpflanzen,
- • Nicht heimische Gartenpflanzen mit invasivem Potenzial,
- • Invasive Neophyten.
Das Unterscheiden dieser drei Pflanzen-Gruppen ist äusserst relevant, da im Moment eine regelrechte Hetze gegen alles Fremde (im Garten) im Gange ist und die Diskussionen oft an theologische oder ethnische Auseinandersetzungen erinnern.
Keine gute Sache, denn Extremismus ist Horizont einschränkend, mutiert gerne zum Ideologischen und verhindert eine vernünftige Sicht auf die Chancen, die etwas mit sich bringen kann.
Die Gruppe der invasiven Neophyten
Diese Neuankömmlinge sind auf einer «Schwarzen Liste» zusammengefasst und auf den Homepages des Bundesamtes für Umwelt (dem BAFU), Pro Natura oder sehr übersichtlich bei https://www.neophyt.ch einzusehen. Viele dieser Pflanzen bergen auch gesundheitliche Risiken für Mensch und Tier. Ein weiterer Grund, sich diese «Pflänzchen» einmal genauer anzusehen.
Spannend wird es aber nun bei den anderen zwei Gruppen
In dieser Zeit des klimatischen Umbruchs sind unsere klassisch angelegten Gärten doch ordentlich unter Druck geraten. Das Schweizer Mittelland hat kaum noch Winter, der Frühling kommt schnell, ist viel kürzer als einst und oft von langen Phasen ohne Niederschläge geprägt. Wenn Regen oder Schnee kommt, kommt er in grossen Mengen auf einmal, um dann langen, heissen Sommern und trockenen, nicht endenden Herbstwochen Platz zu machen. Vieles an unserem heutigen Wetter ist grossartig, ganz ohne Zweifel, doch der damit zusammenhängende Klimastress ist für unsere Gärten und die natürlichen Lebensräume enorm.
Richtet man das Augenmerk auf die Gärten, so fällt einem doch eines deutlich auf: Es gibt klare Verlierer und eindeutige Gewinner des Klimawandels. Auf der Verliererseite sind unsere Rasenflächen zu finden, die Hecken aus Flachwurzlern (Thuja, Fichte, Buche etc.), Moorbeetpflanzen, etliche Kleingehölze und Bodendecker, die bis dato nur so gut gediehen sind, weil sie immer reichlich Feuchtigkeit hatten, denn ihre ursprünglichen Lebensräume sind oftmals am geschützten Gehölzrand und nicht in sonnigen Böschungen und Freiflächen zu finden. Auch viele unserer einheimischen Pflanzen sind nicht besonders glücklich über das Biergarten-Wetter und die Indian-Summer-Zustände. Selbst die, die trockene Lagen mögen, sind oft keine Alternative im Hausgarten, da unsere schweren, verdichteten Böden nicht ideal für sie sind.
Genau hier beginnen die Chancen für so manchen Neophyten, respektive für so manchen GartenbesitzerIn. Viele Neuankömmlinge, stammen aus sehr stressbetonten Gegenden, vor allem aus Prärie-Standorten, mit langen, trockenen Sommern und kühlen, feuchten Wintern.
Viele Astern, Storchenschnäbel, Verbenen, Sonnenhüte oder Gräser gehören definitiv zu den Gewinnern der Wetterentwicklung. Aber auch viele Gehölze profitieren und ermöglichen es dem Gartenbesitzer, die sterbenden Thuja, Rhododendren, Südbuchen oder Föhren durch spannende, zukunftsträchtige Sträucher und Bäume zu ersetzen. Gerade der «Hausbaum» sollte als Schattenspender und Mikroklima-Förderer wieder öfter in Betracht gezogen werden. Ein weiteres Plus ist die Blütezeit. Viele unserer einheimischen Blütenpflanzen haben ihren Blütezeitpunkt im Frühling und Frühsommer, respektive hatten. Die Blütezeit hat sich stark nach vorne verschoben und im Frühsommer sind unsere natürlichen Areale sowie traditionelle Gartenbepflanzungen bereits ausgeblüht. Viele Insekten leiden Hunger, nicht zuletzt die Wild- und Honigbienen. Im Gegensatz dazu haben eine Vielzahl von Neophyten ihre Blütezeit im Sommer und Herbst, also ideal. Das spricht überhaupt nicht gegen unsere grossartige, einheimische Pflanzenwelt, die unbedingt mehr Aufmerksamkeit verdient. Es spricht hauptsächlich für ein «sowohl, als auch». Es spricht für die Nutzung des einheimischen Potenzials und das geschickte dazu Arrangieren von Neulingen. Denn eines ist sicher: Am Festhalten des ehemals Bewährten werden wir GärtnerInnen und GartenliebhaberInnen gnadenlos scheitern. Also nutzen wir die Chance der Vielfalt, immer mit einem wachsamen Auge auf jene Pflanzen-Gesellen, die es neugierig über den sprichwörtlichen Gartenzaun hinauszieht.
